Das Ziel ist erst der Anfang

Sie nähert sich dem Ende, die Adventszeit. Die Zeit des Wartens auf den Heiligen Abend, die Heilige Nacht, die geweihte Nacht, die Weihnacht. Das Warten auf die Ankunft des Retters der Welt! Was für ein Titel. Nur allzu gern scheinen einige Zeitungsartikel und Fernsehsendungen – von schlechten selbstgemachten Dokus in den sozialen Medien ganz zu schweigen – die Geburt Jesu als ein Märchen darstellen zu wollen. Und tatsächlich finden wir so manche Auffälligkeiten in den Texten von Jesu Geburt, die zunächst fantastisch klingen und einer genaueren Überprüfung bedürfen.

Da wird von einem Stern berichtet, dem Weise aus dem Morgenland folgten, von einer Steuerschätzung, weshalb sich Josef mit Maria auf den Weg nach Betlehem begab, von Hirten auf dem Feld und von einem grausamen König Herodes. Alles Berichte, die mehr aussagen, als es auf den ersten Blick scheint.

Mit dem Stern von Bethlehem haben wir uns letzte Woche schon beschäftigt. Wann immer dieses Sternereignis stattfand, es war wenige Jahre vor der heute gültigen Zeitrechnung. Halten wir fest, dass Christus – unter einem guten Stern geboren – seiner Zeit voraus war.

Und Herodes? Es lässt sich historisch gut belegen, dass er bereits im Jahr 4 v.Chr. gestorben ist. Die Sterne hätten somit recht, wenn Jesus spätestens zu diesem Zeitpunkt geboren sein soll. Dagegen gibt es für den Kindermord des Herodes keine sicheren Belege, auch wenn diesem grausamen Herrscher dies zuzutrauen gewesen wäre.

Die Steuerschätzung lässt sich dagegen sehr genau datieren, da sie im Zusammenhang mit der Eingliederung Judäas in die Provinz Syrien stand, womit wir im Jahr 6 n. Chr. angekommen sind. Die Geburt Jesu läge, wenn man sich den Bericht mit dem Stern im Matthäusevangelium anguckt, also bereits zehn Jahre zurück. Ist damit der Beweis für das Märchen vom Retter der Welt erbracht? Ganz sicher nicht. Es geht den beiden Evangelisten Matthäus und Lukas nicht um diesen einen Tag, an dem Christus geboren wurde, sondern um die Zeit, in der er auf die Welt kam. Was war damals schon großartiges passiert? Die beiden Evangelisten beschreiben es beinahe so, als würden wir heute auf ein bestimmtes Jahrzehnt zurückblicken und uns an einzelne Ereignisse erinnern.

Auch der Vorwurf, die Kirche hätte die Geburt Jesu auf den 25. Dezember gelegt, um damit das Fest des römischen Sonnengottes Sol invictus zu verdrängen, ist so nicht ganz richtig, denn die Bedeutung, die Weihnachten für uns heute hat, hatte es zum Beginn der jungen Kirche noch überhaupt nicht. Dennoch ersetzte das „wahre Licht“ den Sonnengott im Laufe der Zeit.

In diesem Zusammenhang ist auch der Vorwurf interessant, die ersten Christen hätten die Geschichte um einen Sohn Gottes, der letztlich am Kreuz starb, aber von den Toten auferstanden ist, nur erfunden, um eine neue Religion bzw. einen neuen Kult zu schaffen, der ihnen großen Einfluss und Macht  ermöglichen würde. Schon allein die Geburt Jesu zeigt, wie gegenstandslos dieser Vorwurf ist, denn die Hirten, denen Engel erschienen sein sollen, galten in der damaligen Tradition als Personen, denen man keinen „Glauben“ schenken durfte. Was sie erzählten, würde man heute als Seemannsgarn bezeichnen. Und mit solch wenig vertrauenswürdigen Zeugen sollte die Geschichte ihren Anfang nehmen? Was für ein Humor. Darauf könnte nur Gott kommen…

Interessant ist aber schon der Verweis auf Betlehem als Geburtsort, der Stadt Davids. Dem großen König, aus dessen Geschlecht einst der Retter verheißen war. Nicht nur aus dem Geschlecht, auch aus der Stadt bzw. dem kleinen Ort, der übersetzt „Haus des Brotes“ heißt. Wieder ein netter Zusammenhang, wenn wir später von Christus als dem „lebendigen Brot“ lesen.

Es gibt einfach zu viele Auffälligkeiten, als dass sich die Geburt Jesu nicht in einem solchen Rahmen hätte zugetragen haben können. Das große Ganze erscheint stimmig und wer sich die Mühe macht, das Ereignis um die Geburt historisch noch tiefer zu beleuchten, wird dem zustimmen. Anders ausgedrückt: Wer an der Historizität Jesu zweifelt, müsste alle antiken Ereignisse verwerfen, da nichts aus der damaligen Zeit so gut belegt ist, wie die Existenz Jesu. Der Rest ist Glaube.

Vielleicht liegt darin aber gerade die Provokation. Wenn wir nun schon wissen, dass seine Existenz, sein Leben, historisch belegt ist, was bedeutet das für uns? Muss sich dann etwas in unserem Leben ändern, auch wenn es unangenehm ist? Was bedeutet dann Weihnachten für uns? Mit der Geburt Jesu begann das Leben eines Menschen, der konsequent für seine Überzeugung einstand, der nicht nur für seine netten Worte sondern vor allem für sein bedingungsloses Handeln bekannt war. Mit Weihnachten wird Gott so klein und zerbrechlich wie das Kind in der Krippe, vor dem wir uns nicht fürchten müssen, wie es die Engel verkündeten. Mit Weihnachten zieht jedes Jahr erneut die Liebe in unsere Häuser und Herzen ein, wenn wir es denn zulassen.

Uns allen eine gesegnete Weihnachtszeit, bleiben Sie behütet,

Marko Röseler

Star Wars über Betlehem

Wer die Star Wars Reihe kennt, dem sind sicherlich die unzähligen religiösen Bezüge aufgefallen.  Es geht um eine jahrhundertealte Prophezeiung, um das Warten der Menschheit auf einen Auserwählten, der das gestörte Gleichgewicht zwischen Gut und Böse wieder herstellen kann.  Dieser vermeintliche Auserwählte, der in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs, heißt Anakin Skywalker und wurde nach Aussagen seiner Mutter ohne Mann gezeugt, allein durch die „Macht“. Die Parallelen zur Geburt Jesu sind offensichtlich. 

Das Warten auf einen Retter, Jungfrauengeburten und wundersame Ankündigungen durch Himmelsereignisse sind in zahlreichen Mythen bekannt, wenngleich sich bei genauerer Untersuchung die Ereignisse um die Geburt Christi völlig anders darstellen, als es in den Mythen auf den ersten Blick der Fall sein mag.

Betrachten wir das im Matthäusevangelium beschriebene Himmelsereignis, so könnten wir heute beinahe von einem Krieg der Sterne über Betlehem, dem Geburtsort Jesu sprechen, so viele Theorien gibt es dazu. Für den Theologen Origenes, der sich bereits im dritten Jahrhundert mit der Frage nach dem Stern von Bethlehem beschäftigte, konnte es sich nur um einen Kometen handeln. Obwohl wir über Weihnachtskrippen häufig einen Kometen mit Schweif sehen können, ist diese Theorie wohl eher abwegig. Zum einen gibt es keine einzige Quelle, die in der besagten Zeit von einem Kometen berichtet und zum anderen galten Kometen eher als Unheilsbringer.

Der Mathematiker und Astronom Johannes Kepler dachte im Jahr 1604, einen neuen Stern entdeckt zu haben, von dem wir heute wissen, dass es sich um eine Sternexplosion handelte. Als Ursache dafür machte er das äußerst seltene Zusammentreffen der Planeten Jupiter und Saturn aus, die auch zur Zeit um die Geburt Jesu einen Stern hervorgebracht haben könnten. Tatsächlich hat es dieses seltene Zusammentreffen dreimal im Jahre 7 vor Christus im Sternbild Fische gegeben. 

In der babylonischen Astronomie stand der Planet Jupiter für ihren höchsten Gott Marduk und der Planet Saturn wurde oft mit dem jüdischen Volk gleichgesetzt, wahrscheinlich, weil ihr Sabbat mit dem Saturntag (engl. Saturday) zusammenfiel. Der westliche Teil des Sternbildes Fische stand ohnehin für Palästina. Dem Astronomen Konradin Ferrari d’Occhieppo zu Folge, müssen die Sterndeuter („magoi“, wie es im Evangelium heißt), in dieser Symbolik die Prophezeiung der Geburt eines neuen Königs von Israel gesehen haben. 

Da es auch Einwände gegen diese Symbolik gibt, suchen Astronomen bis heute nach weiteren Möglichkeiten und sind fündig geworden. Sowohl im Jahr 3 v.Chr. als auch im Jahr 2 v. Chr. liefen die Planeten Jupiter und Venus von der Erde betrachtet so dicht aneinander vorbei, dass es wie ein einzelner großer Stern ausgesehen haben muss. Zuletzt am Westhimmel des Nahen und Mittleren Ostens. Die Annäherung der Planeten war über viele Wochen gut zu beobachten und gab Sterndeutern aus Persien oder Babylon ausreichend Zeit, sich auf den Weg zu machen.

Was immer auch der Stern von Bethlehem gewesen sein mag; es gibt einige sehr seltene Himmelsereignisse zur Zeit der Geburt Jesu. Man mag im Stern von Bethlehem eine Erfindung des Evangelisten sehen oder auch ein historisch bzw. astronomisch belegbares Ereignis. Vielleicht denken wir einmal darüber nach, was dieser Stern für uns bedeutet, wenn wir den Abendlichen Sternenhimmel betrachten. Möge die (göttliche) Kraft mit uns sein…

Ochs und Esel zwischen Zuckerwatte und Bratwurst

Dieses Jahr ist alles anders. Das betrifft auch die Weihnachtsmärkte, die in der Regel an Weihnachten längst geschlossen haben und dennoch Weihnachtsmarkt heißen. Nun gut, das Oktoberfest findet ja auch im September statt… Stattfinden wird in diesem Jahr allerdings kaum etwas. Während ich wehmütig an die Weihnachtsmarktbesuche der letzten Jahre denke, an den Duft von Zuckerwatte, Bratwurst und gerösteten Mandeln, kommt mir immer wieder eine Szene in den Sinn: Die Weihnachtskrippe am Ende eines abgelegenen Ganges, hinter dem Stand mit selbstgehäkelten Waren. Ein provisorischer Bretterzaun verhinderte, dass die Mülltonnen dahinter direkt zu sehen waren… immerhin roch man sie. Das Jesuskind, von einem Baumarktstrahler hell erleuchtet, lag zwei Wochen zu früh im Futtertrog, Ochs und Esel leisteten ihm brav Gesellschaft. Und als hätten sie es geahnt, auch die Hirten und die Weisen aus dem Morgenland waren schon da.

Wer einen Blick in die Evangelien wirft, wird dort allerdings weder eine Krippe, noch Ochs und Esel finden. Auch von einer Höhle als Geburtsort, wie die Ostkirche es auf ihren Ikonen und in ihren Hymnen zeigt, ist bei Matthäus und Lukas nichts zu lesen, was nicht bedeuten muss, dass die Höhlentradition falsch ist. Und was ist nun mit Ochs und Esel?

In der frühchristlichen Darstellung standen Ochs und Esel bereits vor Maria und Joseph in der Krippe. Das hängt mit einem Vers aus dem Buch Jesaja zusammen (Jes1,3) der auch als Mahnung gedeutet wurde, nicht dümmer als diese Tiere zu sein und das Kind im Futtertrog als den Erlöser der Welt, als den Messias anzuerkennen. Einige Jahrhunderte später geriet diese Deutung in Vergessenheit.

Der heilige Franz von Assisi wollte zu Beginn des 13. Jahrhunderts den Bewohnern eines kleinen italienischen Dorfes die Bedeutung von Weihnachten verständlich machen, indem er sie nachspielen ließ, was sich damals in Betlehem ereignet hat. In seinem Krippenspiel standen Ochs und Esel für die Einfachheit und die Armseligkeit des Stalls sowie der zu ihm gehörenden Menschen. Für Franz von Assisi gleicht unser Innerstes oft einem Stall, in dem es Mist und Unrat, aber auch Wärme gibt. Und in einen solch armseligen Stall kehrt Christus ein.

Während einer Heiligen Nacht, als Franz von Assisi sein Krippenspiel aufführen ließ und die Dorfbewohner zu fröhlichem Lobgesang ansetzten, sollen Ochs und Esel – wahrscheinlich durch den plötzlichen Gesang aufgeschreckt – lautes Gebrüll von sich gegeben haben. Der heilige Franz war begeistert und rief: „Seht! Auch die Tiere, ja die ganze Schöpfung freut sich über die Geburt des Erlösers.“

Wenn wir in den nächsten Tagen und Wochen eine Weihnachtskrippe sehen, egal ob kitschig oder irgendwo in die letzte Ecke gedrängt, egal ob in Höhlenform oder als bäuerliches Schwarzwaldhäuschen, gelingt es uns vielleicht an all das zu denken, wofür diese Krippe steht. Für die Verborgenheit des Höchsten im Niedrigsten, für die Freude der gesamten Schöpfung an der Geburt Christi und letztlich für uns selbst. Für unser Innerstes, in das – egal wie dunkel es auch sein mag –  Gott sich nicht zu niedrig ist, einzukehren. 

Alle Jahre wieder…

Während in diesem Jahr coronabedingt der Gang über die Weihnachtsmärkte ebenso ausfällt, wie die Betriebsfeiern, die sich ebenfalls schon im Advent als Weihnachtsfeiern bezeichnen, sind wenigstens einige Dinge wie in jedem Jahr: Lebkuchen, Stollen, Spekulatius, Dominosteine… seit dem Spätsommer.

Immerhin ist der Weihnachtsbaumverkauf nicht verboten, die Stuben werden  mit Adventskränzen geschmückt und der Weihnachtsmann bringt dann am 24. Dezember die Geschenke. Wenige Tage später landen die ersten Bäume wieder auf der Straße und wer seinen Christbaum erst nach Epiphanie vor die Haustür bringt, erntet oft irritierte Blicke.

Der erste Advent ist für viele Menschen der Beginn einer Zeit, in der noch möglichst viel erledigt werden muss. Kinder und Jugendliche schreiben besonders viele Klassenarbeiten und Tests, Erwachsene machen Überstunden, haben Konferenzen und ganz plötzlich steht wieder Weihnachten vor der Tür. Gott sei Dank gibt es den online-Handel.

Apropos „Gott sei Dank“. Irgendeine Rolle spielte der ja auch. Eventuell gelingt es uns in diesem verrückten Jahr, mal einen Gedanken an die selbstverständlichen Rituale zu verschwenden. Vielleicht können wir, wenn wir zu den Spekulatius greifen, einen Blick auf die Motive auf dem Gebäck werfen, bevor wir sie genüsslich verspeisen. Die Abbildungen entstammen nämlich der Geschichte des heiligen Bischofs Nikolaus von Myra, dem barmherzigen Helfer, der dem Mythos nach in der Nacht die Kinder beschenkt. Aber noch andere Szenen aus dem Leben des Heiligen sind dargestellt, der den Beinamen speculator (lat. Aufseher/Bischof) erhielt und somit dem Gebäck seinen Namen gab.

Der Reformator Luther hatte mit der Figur des schenkenden Nikolaus allerdings seine Probleme und schob das Beschenken dem Christkind zu, wodurch letztlich die volkstümliche Tradition des Weihnachtsmannes entstand. Der Bischof mit langem Bart und Mantel überreichte nun in der Weihnachtsnacht unter dem  Weihnachtsbaum Geschenke und sorgte für eine schöne Bescherung. 

Ohne Weihnachtsbaum gäbe es zwar trotzdem Geschenke, aber es würde etwas fehlen: Nämlich eine ursprünglich heidnische Tradition. Die Römer bekränzten ihre Türen in der kalten Jahreszeit mit Lorbeerzweigen, als Zeichen der Hoffnung. In mittelalterlichen Mysterienspielen standen Christbäume als Symbol für den Paradiesbaum im Garten Eden auf der Bühne, bevor sie ab dem 19. Jahrhundert in den häuslichen Bereich einzogen.

Zur gleichen Zeit entstand auch die Tradition der Adventskränze, die auf einen Theologen zurückgeht, der im Jahr 1833 ein Haus für notleidende Kinder und Jugendliche gründete, die dort Zuflucht fanden. Im Advent versammelten sich alle unter einem Holzreifen mit 24 Kerzen, wovon jeden Tag zur gemeinsamen Andacht eine angezündet wurde. Mit der Zeit wurde dieser Kranz immer beliebter und mit so vielen Tannenzweigen geschmückt, dass er letztlich auf vier Kerzen für die vier Adventssonntage reduziert wurde. 

Wenn wir nun zum Beginn des Advents die erste Kerze anzünden, Spekulatius knabbern, uns über den Weihnachtbaum und das bevorstehende Fest erste Gedanken machen oder daran denken, dass nächsten Sonntag gleichzeitig Nikolaus ist, sollten wir für einen Moment innehalten und überlegen, weshalb wir diese Rituale alle Jahre wieder begehen, wer letztlich derjenige ist, auf dessen Ankunft wir warten.